»Ich kann nicht zeichnen.«
Das sagen viele Leute, aber in den allermeisten Fällen stimmt es gar nicht. Zeichnen kann jeder – die Frage ist nur, wie hoch die künstlerische Meßlatte angelegt wird. Wer meint, »schlecht« zu zeichnen, hat es meist
nur lange nicht mehr getan.
Als Kinder haben wir alle ohne Hemmungen gezeichnet – unbekümmert um Perfektion, voller Vertrauen in die Richtigkeit dessen, was wir tun.
Unsere Bilder wurden von anderen betrachtet … und verstanden!
Frustrierende Erfahrungen (schlechtere Schulnoten als andere, Spott oder besserwisserische Bemerkungen von Mitmenschen) entmutigen viele Kinder oder Jugendliche, so dass sie den Spaß am Zeichnen verlieren und sich der Glaubenssatz verfestigt: »Ich kann halt nicht zeichnen.«
Mit dem Singen und Musizieren verhält es sich übrigens genau so!
Brandy Agerbeck, der »Rockstar der amerikanischen Visualisierer-Szene« (Zitat von
Neuland.com), hebelt in einem fiktiven Dialog die klassischen Abwehr-Killerphrasen dazu aus:
Ich nutze Zeichnen als mächtiges Werkzeug. Sie können das auch.
Ruhig – atmen Sie tief durch. Keine Panik. Ich kann Sie hören:
– Aber ich zeichne wie ein Fünfjähriger.
Klar. Wahrscheinlich haben Sie mit fünf Jahren aufgehört zu zeichnen.
– Ich kann nicht mal eine gerade Linie zeichnen.
Müssen Sie das denn? Haben Sie kein Lineal?
– In der dritten Klasse hat der Lehrer mir gesagt, ich hätte das Zebra nicht richtig
gezeichnet. Da habe ich mit dem Zeichnen aufgehört.
Es gibt kein »richtiges Zebra«. Und Sie können jederzeit wieder mit dem Zeichnen
anfangen.
– Ja, das sagen Sie so, aber Sie können ja auch zeichnen.
Jaha, und ich möchte, dass Sie Ihre Vorstellungen über das Zeichnen erweitern
und entdecken, wie Sie zeichnen. Schnappen Sie sich einen Bleistift oder einen
Filzschreiber und lesen Sie weiter…
(Freie, sinngemäße Übersetzung von mir. Quelle: »The Brandyfesto«, Brandy Agerbeck)
Zeichnen heißt zunächst ja einfach nur, mit dem Stift etwas zu Papier zu bringen. Es ist vor allem eine Kommunikationsform, erst viel später kann Zeichnung auch Kunst sein. Zeichnen kann man
• zufällig, unbewusst und nebenher, z.B. beim Telefonieren
• zum Spaß, zur Entspannung, zum Selbstausdruck, mit mehr oder weniger künstlerischem Anspruch
• um sich Dinge besser zu merken, Wissen oder Informationen sichtbar zu machen, Gehörtes zu notieren, mit anderen gemeinsam Ideen zu entwickeln, Prozesse abzubilden…
Der dritte Punkt beschreibt das zeichnerische Visualisieren:
Zeichnen nicht als Kunst,
sondern Zeichnen zum Zweck.
Zeichnen um etwas zu erreichen,
Zeichnen zur Kommunikation,
Zeichnen zur Information.
Das kann jeder lernen, weil es dabei nicht um Perfektion geht.
Buchtipp für alle, die sich den Spaß am Zeichnen zurückerobern wollen: »Zeichnen für verkannte Künstler« (Amazon-Link) von Quentin Blake und John Cassidy
P.S.: Die Zeichnung oben stammt aus meiner Kindergartenzeit.